futureSAX-Interview mit Prof. Dr. Thorsten Posselt, IMW

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„Es gibt keine 'one-size-fits-all'-Struktur für erfolgreichen Wissens- und Technologietransfer.“

futureSAX-Interview mit Prof. Dr. rer. pol. Thorsten Posselt, Institutsleiter, Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie IMW

 

Als Institutsleiter beim Fraunhofer IMW, kennt sich Prof. Dr. Thorsten Posselt mit Wissens- und Technologietransfer bestens aus. Beim Sächsischen Transferforum 2022 in Chemnitz teilt er sein Wissen mit der sächsischen Transfer-Community. Im futureSAX-Interview hat er uns bereits vorab einige Einblicke in seine Arbeit gegeben.

futureSAX: Prof. Dr. Posselt, wir freuen uns Sie auf dem Sächsischen Transferforum 2022 am 23. November in Chemnitz begrüßen zu dürfen. Welche Transferthemen adressieren Sie in Ihrer Keynote und worauf können die Teilnehmenden gespannt sein?

Prof. Dr. Posselt: Für die transfererfahrene Community ist die Bedeutung des Themas für Wertschöpfung und Wohlstand offensichtlich. Das gilt ganz besonders einhergehend mit der sogenannten „Zeitenwende“, in der das „Geschäftsmodell für Deutschland“ unklarer geworden ist oder zumindest deutlich wurde, dass es regelmäßiger zu hinterfragen ist. Ich werde daher zunächst gern auf die Herausforderungen für einen guten und wirksamen Wissens- und Technologietransfer eingehen. Dann soll es aber auch um die Digitalisierung und Plattformen gehen und inwiefern diese den Transfer und die Entstehung guter Transferlösungen verändern. Last but not least möchte ich in diesem Zusammenhang Forschungsprojekte und Beiträge aus dem Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie IMW kurz vorstellen, da die Erforschung neuer wirksamer Transferlösungen ein wesentlicher Gegenstand unserer Institutsarbeit ist. Hier können wir einiges anbieten und zeigen.

futureSAX: Welche Kompetenzen sind notwendig, um Wissens- und Technologietransfer innerhalb einer Organisation sowie zwischen verschiedenen Organisationen erfolgreich durchzuführen? Welche Strukturen sind hierfür Voraussetzung?

Prof. Dr. Posselt: In einer Organisation müssen die beteiligten Individuen verstehen, was transferiert wird, sie müssen sich mit den fachlichen Voraussetzungen auskennen. Das bedeutet keineswegs, dass sie zwangsläufig Expert/-innen sein müssen, aber sie müssen die Basis, die Wirkung und die kommerzielle Dimension von Wissen verstehen, welches zu Innovationen in Unternehmen wird. Darüber hinaus müssen sie bestimmte Soft Skills, insbesondere die Fähigkeit zur Kommunikation zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen und Akteursgruppen, sehr gut beherrschen. Ansonsten gelingt die Vermittlung innerhalb einer Organisation nicht. Für den Transfer zwischen Organisationen gilt das Gleiche, allerdings wird es noch komplizierter, da außerdem verschiedene Kulturen im Spiel sind, die es in Einklang zu bringen gilt. Es gibt keine „one-size-fits-all“-Struktur für erfolgreichen Wissens- und Technologietransfer. Eine strukturell intelligente Lösung leitet sich aus dem Kontext der Transferherausforderungen und aus der Strategie und den Charakteristika der beteiligten Organisationen ab. 

Es gibt keine „one-size-fits-all“-Struktur für erfolgreichen Wissens- und Technologietransfer. Eine strukturell intelligente Lösung leitet sich aus dem Kontext der Transferherausforderungen und aus der Strategie und den Charakteristika der beteiligten Organisationen ab.

Prof. Dr. rer. pol. Thorsten Posselt, Institutsleiter, Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie IMW

futureSAX: Wie kann Wissen durch gezieltes Innovationsmanagement in eine technologische oder soziale Innovation überführt werden, die am Markt Erfolg hat? Nennen Sie uns ein erfolgreiches Beispiel aus dem Fraunhofer IMW.

Prof. Dr. Posselt: Unternehmen, zumindest größere Unternehmen, haben ihr Innovationsmanagement in den letzten Jahren und Jahrzehnten in vielerlei Hinsicht weiterentwickelt, etwa durch die Öffnung des Innovationsprozesses, Stichwort Open Innovation, die strukturierte Beobachtung und das frühzeitige Erkennen von Veränderungen, Potenzialen und relevantem Wissen, Stichwort Scouting, durch immer neue Formen der Kollaboration mit Start-ups und durch neue Formen der Organisation im Inneren der Unternehmen. Alles dient dazu, die Wissensbasis im Unternehmen zu stärken, zu prüfen, ob Entwicklung und Angebot neuer Produkte möglich und sinnvoll sind und schließlich zügig Innovationen, also neue Produkte und Dienstleistungen, anzubieten.

Für mittelständische Unternehmen ist es eine dauerhafte Herausforderung diese Prozesse systematisch zu durchlaufen. Im Fraunhofer IMW tragen wir dazu bei, dass Unternehmen diese Prozesse schneller und zielgerichteter absolvieren können. Indem wir kundenindividuelle Lösungen von der strategischen Frühaufklärung bis hin zur Geschäftsmodellentwicklung anbieten. Unsere Expert/-innen im Bereich der daten- und plattformbasierten Wertschöpfung etwa identifizieren gemeinsam mit sächsischen Mittelständlern die Potenziale anfallender Daten, entwickeln unternehmensspezifische Lösungsansätze und unterstützen bei deren Pilotierung und Skalierung. Beispielhaft zu nennen sind etwa die Entwicklung eines digitalen Messekonzeptes für einen Werkzeuggroßhändler oder die datenbasierte Produktions- und Kapazitätsplanung für einen Textilproduzenten aus Westsachsen.

futureSAX: Welche Bedeutung haben Crowdsourcing und Crowdfunding zur Finanzierung von Innovations- und Transfervorhaben in der Forschung? Oder stehen wir hier noch am Anfang?

Prof. Dr. Posselt: Die Bedeutung von Crowdsourcing und Crowdfunding wird noch deutlich zunehmen. Es sind erprobte Transferinstrumente, die es erlauben, eine große Zahl von Menschen in Bewertungs-, Finanzierungs- und damit letztlich Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Damit erreichen wir Partizipation. Daher ist Crowdresearch ein zentrales Forschungsthema für das Fraunhofer IMW. Die Gruppe Innovationsfinanzierung um Dr. Robin Bürger hat hierzu ein Leistungsangebot rund um die Crowd Innovation Plattform (www.crowdinnovation.net) des Fraunhofer IMW entwickelt und eine breite und fachübergreifende Community aufgebaut. Mit dem Prozesswissen, den Erfahrungen dieser Gruppe, aber auch der wissenschaftlichen Reflektion, die dort stattfindet, unterstützen wir Transfer nachdrücklich. Ein Beispiel im Bereich Crowdsourcing sind die Kampagnen zum Thema „Technologie sucht Anwendung“ mit Fraunhofer-Instituten und Leistungszentren. Im Bereich Crowdfunding konnten wir sowohl Fraunhofer-Forschende als auch Start-ups bei der wissenschaftlichen Begleitung von Kampagnen erfolgreich unterstützen und zum erfolgreichen Transfer beitragen.

futureSAX: Als Moderator in der Initiative „Plattform für Innovation in Deutschland“ haben Sie den bundesweiten Vergleich: Worin liegen die Stärken des sächsischen Innovationsökosystems – und wo bestehen Potenziale der Weiterentwicklung für Sachsen?

Prof. Dr. Posselt: Die Stärken des Freistaats Sachsen liegen in einem hohen technischen Ausbildungsniveau, einer großen Forschungsdichte und Technologieentwicklungen. Diese Stärken sollten noch mehr ausgespielt werden. Das heißt nicht, allein darauf zu setzen, sondern von vornherein zu schauen, mit welchen anderen für erfolgreichen Transfer wichtigen Gestaltungselementen muss die Technologie in Innovationsökosystemen kombiniert werden, um tatsächlich einen Großteil der potenziellen Wertschöpfung aus der Technologie im Land zu halten. Es reicht auf keinen Fall aus, zusätzliche Themen wie Technologietransfer und Geschäftsmodellentwicklung zu fördern. Vielmehr ist es notwendig eine langfristige Strategie zu verfolgen und immer wieder zu prüfen, wie passen Gestaltungselemente zusammen und wie zahlen sie auf das Wachstum bestehender, in Sachsen ansässiger Unternehmen ein. Letztlich ist das Potenzial dann erfolgreich genutzt, wenn es gelingt einen florierenden technologiebasierten Mittelstand mit überzeugenden Alleinstellungsmerkmalen im Freistaat zu entwickeln, der vielleicht sogar ein, zwei oder drei Großunternehmen hervorbringt.

Mehr zum Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie erfahren Sie hier (Fraunhofer IMW)

Veröffentlicht am 9. November 2022. 

Ihr Ansprechpartner bei futureSAX

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Michael Kelber

Senior Projektmanager

Technologietransfer

Nach seinem Studium der Architektur war Michael Kelber mehrere Jahre als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Transferbereich zwischen Wissenschaft und Innovation an der Wissensarchitektur – Laboratory of Knowledge Architecture der Technischen Universität Dresden tätig. Schwerpunkt seiner Forschung und Lehre lag auf den Gebieten des Wissensmanagements und Entrepreneurships sowie der Methodenvermittlung zur Entwicklung von Geschäftsideen und der Ausschöpfung von Innovationspotentialen. Parallel dazu begleitete Herr Kelber ein vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) finanziertes Forschungsprojekt zum Aufbau und zur Vertiefung von Innovationskapazitäten im sächsisch-polnischen Grenzraum. Durch die Teilnahme an internationalen Forschungskonferenzen und dem Akademischen Austausch mit der Waseda Universität in Tokyo sind Herrn Kelber kulturübergreifende Herangehensweisen und Verfahren zur Entwicklung von Forschungsprojekten und Geschäftsideen vertraut. In seiner Freizeit unterstützte er zuletzt in einer aktiven Rolle die Vorbereitungsphase einer Ausgründung und engagiert sich als Ordentliches Mitglied beim Filmverband Sachsen. 

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