futureSAX-Interview mit Prof. Dr. Thomas Lenk Uni Leipzig
„Transfer ist kein Selbstläufer.“
futureSAX-Transfer-Interview mit Prof. Dr. Thomas Lenk, Prorektor für Entwicklung und Transfer der Universität Leipzig
Mit der über 600-jährigen Geschichte ist die Universität Leipzig der zentrale Akteur der Wissenschaftsregion Leipzig und als Gastgeberin bestens geeignet, um erfolgreiche Best Practice Beispielen des sächsischen Wissens- und Technologietransfers kennenzulernen. Im Vorab-Interview mit Prof. Dr. Thomas Lenk, Prorektor für Entwicklung und Transfer sprachen wir über den „Leipziger Weg“. (Foto: Christian Hueller)
futureSAX: Die Universität Leipzig blickt auf eine über 600-jährige Tradition zurück und ist damit die zweitälteste Universität Deutschlands. Heute wird an 14 Fakultäten und über 130 Instituten in nahezu allen Wissenschaftsbereichen gelehrt und geforscht. Prof. Lenk, welche Forschungsfelder sind für die Universität Leipzig zukünftig besonders wichtig?
Prof. Dr. Lenk: Die Fächervielfalt an der Uni Leipzig, von Afrikanistik bis Zahnmedizin, ist tatsächlich eine Besonderheit und nicht nur in Sachsen ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Das allein würde die Stärke des Wissenschaftsstandortes aber sicherlich nur unzureichend beschreiben: Der eigentliche Mehrwert entsteht gerade durch die Überschreitung von Fächergrenzen.
Der Erfolg dieser Form der einrichtungsübergreifenden Zusammenarbeit ist charakteristisch für die drei strategischen Forschungsfelder der Uni Leipzig: Intelligente Methoden und Materialien, Nachhaltige Grundlagen für Leben und Gesundheit und Veränderte Ordnungen in einer globalisierten Welt. Hieraus haben sich wiederum drei übergeordnete Themen entwickelt: Biodiversität, Zivilisationskrankheiten und Globalisierungen. Dabei sind Geistes- und Sozialwissenschaften, Lebenswissenschaften sowie Medizin und Naturwissenschaften in inter- und transdisziplinärer Zusammenarbeit jeweils zu etwa gleichen Teilen mit eingebunden, um Grundlagen- und angewandte Forschung sowie deren Transfer in die Gesellschaft voranzubringen.
futureSAX: Im Hochschulentwicklungsplan und der Transferstrategie der Universität Leipzig wird vom „Leipziger Weg“ gesprochen. Was zeichnet diesen Weg aus?
Prof. Dr. Lenk: Der Leipziger Weg beschreibt die wichtigsten Parameter der dynamischen Entwicklungsplanung und Weiterentwicklung erfolgreicher Forschungsthemen an der Uni Leipzig. Auch er setzt auf Interdisziplinarität und Verbundbildung. Die wichtigsten Phasen dieses Weges sind Emergenz, also die Identifikation und Förderung ganz neuer Forschungsfelder, Profilierung und Aggregation, also die thematische Festigung und gezielte Zusammenführung emergenter Felder als Nukleus zur Einwerbung von Verbundprojekten, und schließlich Synthese, also der Aufbau international sichtbarer und konkurrenzfähiger, integrativer Zentren.
Natürlich wird nicht jedes Emerging Field diese letzte Ausbaustufe erreichen. Deshalb ist der Leipziger Weg als Zyklus konzipiert, bei dem zu jedem Zeitpunkt ein neuer Zyklus losgetreten werden kann. Jede Phase des Prozesses kann also gleichzeitig Ausgangspunkt neuer, wissenschaftlicher Fragestellungen und Wachstumskerne sein, sodass Vielfalt erhalten bleibt und ausgebaut wird und eine Vielfalt thematischer und methodischer Ansätze entsteht, aus der auch die großen Forschungsverbünde wieder schöpfen können.
Was möglicherweise klingt wie die Beschreibung eines theoretischen Ideals funktioniert hier in Leipzig tatsächlich bereits sehr gut!
„Transfer ist natürlich nach wie vor kein Selbstläufer. Deshalb braucht es handlungsfähige Strukturen und Instrumente, um ihn zu steuern und erfolgreich zu machen.”
Prof. Dr. Thomas Lenk, Prorektor für Entwicklung und Transfer der Universität Leipzig
futureSAX: Prof. Lenk, unter dem Begriff „Third Mission“ rückt der Austausch und Transfer zwischen Wissenschaft und Gesellschaft immer stärker in den Fokus von Hochschulen. Welches Verständnis von Transfer verfolgt die Universität Leipzig?
Prof. Dr. Lenk: Als Transfer bezeichnen wir den dialogischen Austausch zwischen Universität und Gesellschaft, insbesondere zwischen Universität und Wirtschaft, Politik, Kultur und Zivilgesellschaft, wobei beide Seiten gleichermaßen profitieren sollen. Der Transfer kann sich dabei über Formate und Wege vollziehen, etwa in Form gemeinsamer Forschungs- und Entwicklungsarbeit, über Formate der wissenschaftlichen Weiterbildung, Politikberatungen oder die öffentliche Wissens- und Wissenschaftskommunikation.
Ob dieser Fokus für die Hochschulen tatsächlich so neu ist, weiß ich gar nicht. Das Selbstverständnis der Uni Leipzig als Wegbereiterin, Impulsgeberin und Gestalterin regionaler und globalisierter Wissensgesellschaften würde ich jedenfalls nicht als neu bezeichnen wollen.
Neu sind aber sicherlich die deutlichen Impulse, die die Hochschulen durch ein wachsendes, öffentliches Interesse, gesteigerte Erwartungen und die gesteigerte Bereitschaft der Politik zur Unterstützung dieser Themen erfahren.
futureSAX: Welche Instrumente zur Stärkung des Transfers haben Sie bereits erfolgreich etabliert?
Prof. Dr. Lenk: Transfer ist natürlich nach wie vor kein Selbstläufer. Deshalb braucht es handlungsfähige Strukturen und Instrumente, um ihn zu steuern und erfolgreich zu machen. Die Instrumente sind dabei so vielfältig, wie die Formen und Wege des Transfers selbst. Ich will beispielhaft dennoch einige nennen:
Als echtes Erfolgsbeispiel kann sicher unsere Gründerinitiative SMILE gelten, die seit 2006 mehr als 500 Gründungen begleitet und damit an der Entstehung von über 1000 Arbeitsplätzen mitgewirkt hat. Um die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedern der Universität und außeruniversitären Einrichtungen zu fördern, betreiben wir die Programme Wissenschaft trifft Wirtschaft und Wissenschaft trifft Gesellschaft, über die Mehrkosten der Universität im Zusammenhang solcher Zusammenarbeiten mit bis zu 15.000 Euro pro Projekt gefördert werden können. Und um den Transfergedanken weiter zu kultivieren und die große Wertschätzung für entsprechende Leistungen deutlich zum Ausdruck zu bringen, vergeben wir in diesem Jahr auch erstmals einen Transferpreis, mit dem die Uni herausragende Leistungen ihrer Angehörigen im Wissens- und Technologietransfer auszeichnet.
futureSAX: Die sächsische Unternehmenslandschaft ist geprägt von vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die oft über keine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung verfügen. Welche Angebote und Formate bietet die Universität Leipzig an, um diesen Unternehmen einen niedrigschwelligen Einstieg zu ermöglichen?
Prof. Dr. Lenk: Das ist sicherlich richtig, auch große Unternehmen, die mal eben eine Professur stiften oder gleich ein ganzes Institut mitfinanzieren, sind hier rar. Wir sind als Uni Leipzig deshalb gerade auch auf die Zusammenarbeit mit kleinen und mittleren Unternehmen sehr gut eingestellt: Das bereits erwähnte Programm Wissenschaft triff Wirtschaft ist hier ein Beispiel. Und auch sonst versuchen wir unsere Ansprechbarkeit und Kooperationsfähigkeit in ganz unterschiedliche Richtungen zu erhöhen. So gibt es neben unserem zentralen Sachgebiet für Transfer aktuell drei Transferassistentinnen, bei SMILE, bei unserem Research Center for Sustainable and Smart Infrastructure (RCI) und bei nutriCARD, die direkt mit unseren besonders anwendungsorientierten Wissenschaftlern zusammenarbeiten und aktiv den Kontakt zu KMU suchen, Forschungskontakte vermitteln oder die Entwicklung gemeinsamer Antragsvorhaben begleiten.
futureSAX: Die Universität Leipzig, die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und die Friedrich-Schiller-Universität Jena haben sich 1995 Mitteldeutschen Universitätsbund zusammengeschlossen. Welche Erfolge auch im Bereich des Transfers hat diese Zusammenarbeit bisher gezeitigt?
Prof. Dr. Lenk: Diese Zusammenarbeit lag im Wortsinne nahe; sie hat für uns natürlich eine ganz besondere Bedeutung und erstreckt sich über ganz unterschiedliche Bereiche – wobei der Transfer mittlerweile ganz ausdrücklich mit dazugehört. Als Erfolge können hier sicher der „International Startup Campus“, das Kompetenzcluster für Ernährung und kardiovaskuläre Gesundheit (nutriCard) und insbesondere das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) gelten, wo wir mit den Universitäten in Halle und Jena sehr erfolgreich kooperieren.
futureSAX: Was war Ihr Beweggrund, Teil des Sächsischen Transfer-Netzwerkes zu werden, und wie wichtig sind branchenübergreifende Plattformen für den Wissens- und Technologietransfer?
Prof. Dr. Lenk: Extrem wichtig! Durch die Netzwerkarbeit knüpfen wir wichtige Kontakte zu möglichen Kooperationspartnern, haben Zugang zu wertvollen Instrumenten zur effizienten Gestaltung von Innovationsprozessen und stehen gleichzeitig im engen Austausch mit politischen Entscheidern. Die Vermutung, dass das so sein würde, war der Grund Teil von futureSAX zu werden, die Tatsache, dass wir mit dieser Vermutung richtig lagen, der Grund, es weiterhin sehr gerne zu bleiben. Die Zusammenarbeit zwischen futureSAX und der Uni Leipzig werte ich als echte Erfolgsgeschichte und bin deshalb froh, dass diese Erfolgsgeschichte im Rahmen des ersten Sächsischen Transferforums in Leipzig auch sichtbar wird.
Universität Leipzig
Seit sechs Jahrhunderten bereichert die Universität das geistige und kulturelle Leben der Stadt Leipzig. 1409 gegründet ist sie mit ununterbrochenem Lehr- und Forschungsbetrieb die zweit älteste Universität in Deutschland.
Heute strebt die Universität Leipzig als traditionsreiche und zugleich moderne Volluniversität einen führenden Platz unter den deutschen Universitäten an. Die 14 Fakultäten mit ihren 150 Instituten setzen auf fächer- und fakultätsübergreifende Zusammenarbeit in Forschung und Lehre.
Als Volluniversität verfügt die Universität Leipzig über ein breites Forschungsspektrum in den Lebenswissenschaften, den Geistes- und Sozialwissenschaften und den Naturwissenschaften. Sie betreibt interdisziplinär Grundlagen- und angewandte Forschung und hat sich zu einem Wissens- und Technologietransferpartner auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene entwickelt. Besondere Stärken liegen in den Bereichen Globale Interaktion, Biomedizin, Intelligente Materialien, Biotechnologie, Mathematische Wissenschaften und Biodiversität.