Im Interview mit Prof. Dr. Broder Merkel

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Im Interview mit Prof. Dr. Broder Merkel

Interview mit dem Prorektor für Forschung der TU Bergakademie Freiberg Prof. Dr. Broder Merkel

Wenn Sie auf die 250-jährige Geschichte der TU Bergakademie Freiberg zurückblicken, welche Innovationen und Erfindungen waren bzw. sind aus Ihrer Sicht besonders wegweisend?

Eine der bedeutendsten Forscher, der an der Bergakademie sein Wissen erworben hat und danach auch in Freiberg als Wissenschaftler tätig wurde, war Alexander von Humboldt (1769-1859). Bezogen auf industrielle Innovationen ist August Wilhelm Lampadius (1772-1842) als Erfinder des Leuchtgases zur Beleuchtung von Straßen zu nennen. Ferdinand Reich und Hieronymus Richter (1824-1896) waren die Entdecker des Elements Indium. Als weiteres Element des Periodensystems wurde dann von Clemens Alexander Winkler(1838-1904) an der Bergakademie Freiberg das Germanium entdeckt. Weiterhin zu nennen sind Julius Weisbach (1806-1871) als Erfinder des Theodoliten, der damit die Vermessung der Erde ermöglichte sowie Adolf Ledebur (1837-1916) als wegweisender Metallurge und Karl Kegel (1876-1959) als Entwickler der Braunkohlenbrikettierung.

Eine wichtige Erfindung nach 1945 wurde zur Entwicklung des Braunkohlen-Hochtemperatur-Kokses (BHT-Koks) durch Erich Rammler und Georg Bilkenroth mit der Patentschrift Nr. 4630 im Jahre 1952 dokumentiert. Die Einführung des BHT-Kokses ermöglichte neue technologische Anwendungsfelder in der Metallurgie.

Patentanmeldungen zum Gasoxynitrieren (Heinz-Joachim Spies u.a.) wurden in den Jahren 1983 bis 1987 in 18 Betrieben der KfZ-Zulieferindustrie eingeführt und gehören heute noch zum angewendeten Stand der Technik. Zwischen 1982 und 1989 gab es über 40 Patentanmeldungen (Arno Hensel u.a.) zum Stabwalzen bei hohen Geschwindigkeiten, die im Ergebnis der Forschungsarbeiten am Walzwerkstechnikum des Institutes für Metallformung entstanden. Sie bildeten die Grundlage für zahlreiche Neuentwicklungen im industriellen Walzmaschinenbau. In den Jahren 1978 bis 1989 entstanden zahlreiche Patentanmeldungen (Klaus Hein u.a.) zur Züchtung von Halbleitermaterialien. Damit wurden Grundlagen geschaffen, die zur Entwicklung der Halbleiterindustrie am Standort Freiberg beitrugen. Nicht zuletzt war diese Fachkompetenz am Standort Freiberg ein wichtiger Faktor für das Fortbestehen und den Neuaufbau der Halbleiter- und Solarindustrie in Freiberg. In den letzten Jahren sind unter Leitung von Bernd Meyer zahlreiche Erfindungen zur Synthesegaserzeugung und zu thermischen Konversionsprozessen entstanden. Sie sind wichtiger Bestandteil der Kompetenz des Institutes für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen als erster Ansprechpartner auf diesem Gebiet.

Die Forschung und Lehre an der Bergakademie ist auf eine nachhaltige Stoff- und Energiewirtschaft sowie die vier Kernfelder Geo, Material, Energie und Umwelt ausgerichtet. Das Interesse der Jugend im In- und Ausland an diesen Studienfeldern ist hoch. In diesem Jahr werden Sie unter anderem mit über 700 ausländischen Studienbewerbern einen neuen Rekord vermelden können. Was macht die Universität neben dieser Ausrichtung für Studenten so einzigartig? Aus welchen Ländern kommen die meisten Bewerber und warum?

Nahezu alle Studenten an der TU Bergakademie Freiberg studieren in Bachelor, Master oder Diplomstudiengängen, die mit Geo-Ressourcen im weitesten Sinne zu tun haben. Dazu gehören Bereiche, die sich mit den mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundlagen von Materie und relevanten Geo- und Materialprozessen befassen, andererseits aber auch der Erkundung, Erschließung und Förderung der Rohmaterialien. Dabei sind die direkten und mittelbaren Folgen für die Umwelt in verschiedenen Facetten zu betrachten. Daran schließen sich Studiengänge an, die Maschinen für die Gewinnung, Verarbeitung, Veredlung und Produktion von intelligenten Produkten entwickeln. Im Bereich der Materialwissenschaften geht es um die Entwicklung von innovativen Materialien aus den verfügbaren Rohstoffen und dem Recycling dieser (urban mining), womit sich der Kreislauf unser nur endlich verfügbaren Rohstoffe schließt. Und letztendlich gibt es die Möglichkeit, sich mit Rohstoffen und ihrer Verarbeitung aus wirtschaftlicher, soziologischer, juristischer und volkswirtschaftlicher Sicht zu befassen.

Der Anteil internationaler Studenten liegt zur Zeit bei 13 % mit steigender Tendenz. 2013/14 waren die Top 10 Länder: China (92), Brasilien (58), Vietnam (35), Russland (30), Polen (24), Ukraine (22), Türkei (19), Syrien (18), Indien (17) und Iran (16). Ein Anteil von 20-25 % ist das mittelfristige Ziel. Die große Nachfrage bei den internationalen Studenten ist auf den internationalen Bekanntheitsgrad der TUBAF als Ressourenuniversität in Deutschland zurückzuführen.

Im Rahmen des futureSAX-Innovationsforums wird auch das futureSAX-Wettbewerbsjahr 2015 eingeläutet. Neben dem Innovationspreis des Freistaates Sachsen startet am 9. Oktober auch der futureSAX-Ideenwettbewerb. Am vergangenen Wettbewerb haben sich auch viele Teams aus dem universitären Bereich beworben, unter anderem das Team „GeoWiD“, deren Mitglieder an der TU Bergakademie Freiberg studiert haben. Wie schätzen Sie die Innovations- und Gründungsfreudigkeit der Freiberger Studenten und Wissenschaftler ein? Gibt es von Seiten der Bergakademie besondere Unterstützung oder Förderprogramme?

Die „Gründerszene“ im Umfeld der Bergakademie ist vital. Das spezielle Profil unserer Hochschule macht hier bei Gründungsvorhaben aus der Wissenschaft allerdings im Regelfall eine sehr intensive Betreuung notwendig, da die Projekte oft sehr komplex sind und bis zur Möglichkeit der industriellen Anwendbarkeit über mehrere Forschungsstadien begleitet werden müssen. Positive Ergebnisse im Labormaßstab, die auf Verwertungspotenzial hindeuten, müssen über Landes- oder Bundesprogramme im Bereich anwendungsorientierte Forschung hin zur industriellen Übertragbarkeit weiterentwickelt werden. Erst wenn der Schritt zum funktionsfähigen Demonstrator oder gar Prototyp gelungen ist, kann mit der eigentlichen Geschäftskonzeptentwicklung für das Ausgründungsvorhaben begonnen werden.

Bei der Betreuung und Unterstützung von Gründungsvorhaben kann Freiberg den Vorteil einer recht kleinen Universität „ausspielen“, so dass in der Regel eine am konkreten Bedarfsfall orientierte Unterstützung seitens der Hochschule erfolgen kann. Freiberg ist Teil des südwestsächsischen Gründernetzwerkes SAXEED, die Anbindung der Mitarbeiter an das Prorektorat für Forschung sichert kurze Dienstwege und abgestimmte Betreuungsangebote. Zusätzlich zu den zahlreichen Unterstützungsangeboten durch das Gründernetzwerk der Hochschule ermöglicht die Bergakademie auch die Nutzung von Universitätsressourcen für Gründungsvorhaben von Universitätsmitgliedern. Des Weiteren werden bei Ausgründungsvorhaben in Zusammenarbeit mit der Technologietransferstelle auch maßgeschneiderte gründerfreundliche Lösungen für den notwendigen Transfer von Schutzrechten oder Lizenzen erarbeitet. Die Bergakademie arbeitet darüber hinaus auch eng mit dem Gründer- und Innovationszentrum sowie den regionalen Akteuren der Wirtschaftsförderung zusammen, so dass Gründungsinteressierte umfassende Unterstützung für ihre Vorhaben finden.

„Zukunft beginnt mit Ressourcen [&] Umwelt“ unter dieser Überschrift steht Ihr Vortrag im Rahmen des futureSAX-Innovationsforums. In welchen Bereichen kann bzw. wird Sachsen im Allgemeinen und die TU Bergakademie Freiberg im Speziellen hier zukunftsweisend sein?

Sachsen war in der Vergangenheit immer sehr erfinderisch und erfolgreich in der Umsetzung ihrer Ideen. Es gibt keine Hinweise, dass dies nicht auch in der Zukunft weiterhin so sein wird. In Bezug auf die Bereiche sehe ich Maschinenbau und Verfahrenstechnik, Elektronik und Informatik, die Entwicklung von Messgeräten im Bereich der Umweltüberwachung und als neue Komponente die Konzeption neuer Produkte, Prüfung ihrer Umweltverträglichkeit und Akkreditierung im Vordergrund. Denn so viel ist klar: wir können trial and error in Bezug auf neue Technologien und ihre Konsequenzen nicht mehr praktizieren, wie wir es zu oft in der Vergangenheit praktiziert haben, um dann mit end-of-the-pipe-Sanierungen die Schäden und Sünden der Vergangenheit zu reparieren. Freiberg hat diesbezüglich mit seinem Profil als die Ressourcen-Universität eine besondere Verantwortung, mit den endlichen Ressourcen unserer Erde sorgfältig und schonend zu verfahren, sie nachhaltig, umweltschonend und energiesparend zu nutzen, innovative und intelligente Materialien und Produkte zu kreieren und am Ende des Tages die Rohstoffe in den Kreislauf der Herstellung neuer Produkte zurückzuführen.

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