futureSAX-Interview Jonas Stiller TU Chemnitz
„Der Austausch wird durch Plattformen wie futureSAX maßgeblich beschleunigt.”
futureSAX im Know-how-Netzwerk Interview mit Jonas Stiller, Leiter der Nachwuchsforschergruppe FiberCer an der Technischen Universität Chemnitz

Die Nachwuchsforschergruppe „FiberCer“, die vom Institut für Strukturleichtbau der TU Chemnitz koordiniert wird, erforscht in einem interdisziplinären Team die ressourcenschonende und automatisierte Herstellung von endkonturnahen Faserkeramiken. Zukünftige Anwendungen reichen von Hochleistungsbremsscheiben, Gleitlagern, Brennerdüsen über neuartige Schneidkanten für Werkzeuge im Maschinenbau bis zu Hitzeschilden in Industrieöfen. Wir haben mit dem Leiter der Gruppe, Dipl.-Ing. Jonas Stiller über Visionen und Aufgabenschwerpunkte gesprochen.
futureSAX: Herr Stiller, bitte beschreiben Sie kurz die Forschungsschwerpunkte und Kernkompetenzen der Nachwuchsforschergruppe „FiberCer - Neue umweltschonende Technologie für Faserkeramiken“.
Die Nachwuchsforschergruppe „FiberCer“ hat das Ziel, Faserkeramiken als innovative Werkstoffgruppe im vollautomatischen, großserientauglichen Formgebungsprozess ressourcenschonend und formflexibel herzustellen. Dabei modifizieren wir die chemischen Grundbestandteile und erweitern bestehende kommerzielle Produkte. Gerade diese Anpassung ist für den weiteren Fertigungsprozess hin zur Faserkeramik von essentieller Bedeutung. In der 1. Fertigungsstufe, dem duroplastischen Spritzgießen, profitieren wir von der Kompetenz der Professur Strukturleichtbau & Kunststoffverarbeitung. Das Verfahren ist als Großserienverfahren reproduzierbar, kostengünstig, energieeffizient und umweltschonend. Anschließend durchlaufen die Kunststoffgrünlinge einen zweistufigen Ofenprozess zur Keramik. Zur Nachbearbeitung forschen wir an Wasserstrahl- und Schleifprozessen, um diese harten Werkstoffe wirtschaftlich bearbeiten zu können. Zudem wird eine ökologisch-ökonomische Analyse durchgeführt, um die Marktakzeptanz herzustellen.
Zusammenfassend ist der Schwerpunkt der Arbeiten, die neuartige Prozessroute zu entwickeln und in die Marktanwendung zu bringen.
In der Nachwuchsforschergruppe werden die Kompetenzen von drei Professuren der TU Chemnitz unter Leitung der Koordinatorin, Frau Professorin Daisy Nestler, und des Direktors des Institutes für Leichtbau der TU Chemnitz, Herrn Professor Lothar Kroll, gebündelt.
futureSAX: Welche greifbaren Potenziale liegen perspektivisch in der Anwendung von Faserkeramiken für sächsische KMU?
Durch die innovative, effiziente Prozesskette zur Herstellung einer duktilen Faserkeramik wollen wir eine Leichtbau-Alternative für einen oftmals teuren metallischen Werkstoffeinsatz anbieten. Mögliche Einsatzgebiete sind der Verschleißschutz, tribologische Anwendungen, wie Lager oder Bremsen, spezielle Anwendungen mit hohen und schnellwechselnden Temperaturen, wie sie in Öfen oder auch Turbinen vorkommen können.
futureSAX: FiberCer knüpft an die traditionsreiche sächsische Werkstoff- und Technikentwicklung auf dem Gebiet der Keramik an. Wie können sächsische Unternehmen von ihrer Forschung profitieren und sich ggf. einbringen?
Wir möchten, dass unsere Forschung und Entwicklung auch den Weg in die marktrelevante Anwendung schafft. Damit sind nicht nur Produkte und ihre verschiedenen Einsatzbereiche gemeint, sondern auch die Übernahme der ganzheitlichen Herstelltechnologie (duroplastisches Spritzgießen, effiziente Pyrolyse, Keramisierung mit Silicium). Diese Fertigung ist aktuell einzigartig und stellt damit ein Alleinstellungsmerkmal dar. Eine Patentierung ist durch die TU Chemnitz abgesichert.
„Durch die innovative, effiziente Prozesskette zur Herstellung einer duktilen Faserkeramik wollen wir eine Leichtbau-Alternative für einen oftmals teuren metallischen Werkstoffeinsatz anbieten.”
futureSAX: Herr Stiller, das Projekt sieht ein dezidiertes Arbeitspaket „Wissens- und Technologietransfer in KMUs“ vor. Welche Maßnahmen sind hier geplant und wie können Unternehmen daran partizipieren?
Wir forschen intensiv an den Grundlagen einer kostengünstigen großserientechnischen Herstellung für duktile verschleißfeste und temperaturwechselbeständige Faserkeramiken. Die Eruierung gänzlich neuer Anwendungen gerät da schnell ins Stocken. Gerade dafür brauchen wir die sächsischen Unternehmen. Diese kennen ihre Anwendungen, Kunden und Märkte am besten und erkennen potentielle Einsatzgebiete, auch für die Substitution bisheriger Stahlwerkstoffe. Dazu haben wir im dreijährigen Projektverlauf zwei Industrie-Workshops geplant, bei denen wir unsere Ergebnisse interessierten Vertretern sächsischer Unternehmen präsentieren und neugierig machen wollen, eine Alleinstellung als Sachsen in Deutschland zu erreichen. Daher freuen wir uns auch auf interessante und fruchtbare Gespräche. Wir erhoffen uns, Einschätzungen und Impulse von den Unternehmen zu bekommen, da diese unsere Forschung aus einem anderen, industriegetriebenen Blickwinkel sehen. Beide Seiten können so voneinander profitieren.
futureSAX: Die sächsischen Nachwuchsforschergruppen sind ein Instrument, um sächsische Hochschulen mit der regionalen Wirtschaft über anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung enger und nachhaltig miteinander zu verknüpfen sowie den Transfer von der Forschung in die Unternehmen zu beschleunigen. Herr Stiller, wo sehen Sie Erfolge im Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft und welche Herausforderungen gibt es ihrer Meinung nach noch?
Die Idee vom einsamen Forscher im Elfenbeinturm ist längst Vergangenheit, Universitäten und Unternehmen müssen zusammenarbeiten, um im globalen System konkurrieren zu können. Deswegen sind solche Projektformen wie die Nachwuchsforschergruppen ideale Instrumente, um diesen Austausch zu forcieren. Da immer mehr die Grundlagenforschung auch anwendungsbezogen ist, sind Impulse der Unternehmen von Anfang an zwingend erforderlich. Aber auch die Möglichkeiten Start-Up Unternehmen im universitären Umfeld zu gründen, muss ein wichtiger Baustein der sächsischen Förderlandschaft sein. In vielen Förderprogrammen wird die Teilnahme von Unternehmen gefordert, die zumeist auch eine finanzielle Beteiligung erfordert. Das stellt uns vor die neue Herausforderung, gerade auch KMUs zur Begleitung in den Forschungsprogrammen in Form des projektbegleitenden Ausschusses zu gewinnen.
futureSAX: Herr Stiller, wie wichtig sind branchenübergreifende Plattformen wie futureSAX für den Wissens- und Technologietransfer?
Der Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft wird durch Plattformen wie futureSAX oder durch Unterstützung der IHK maßgeblich beschleunigt und befördert. Der Kreis der Empfänger vergrößert sich deutlich, wovon letztendlich beide Seiten profitieren.
Mehr zur Nachwuchsforschergruppe „FiberCer“ an der Technische Universität Chemnitz erfahren Sie hier.
Die Nachwuchsforschergruppe FiberCer wird finanziert aus dem Europäischen Sozialfonds und mit Steuermitteln des Freistaates Sachsen auf Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes.