futureSAX-Interview Dr. Rolf Weigand

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„Wir liegen jetzt bei 90 Prozent höherer Haltbarkeit der porösen Bauteile.“

futureSAX-Interview mit Dr. Rolf Weigand, Teamleiter von „ancorro“ der TU Bergakademie Freiberg

Feuer frei heißt es bei den Versuchen des Forscherteams rund um Dr. Rolf Weigand. Sie arbeiten an einem neuen Verfahren zur Veredelung von feuerfesten Materialien. Damit soll auch der Ausschuss bei der Glasproduktion minimiert und poröse Teile gestärkt werden. Mit dieser innovativen Idee hat sich das Team „ancorro“ um Dr. Rolf Weigand von der TU Bergakademie Freiberg 2013 am futureSAX-Ideenwettbewerb beteiligt.

Herr Dr. Weigand, die Entwicklungsarbeit an dem komplizierten Verfahren, das zu einer Minimierung des Ausschusses bei der Glasproduktion führt, hat sechs Jahre gedauert. Wie sind Sie auf die Entwicklung eines derartigen Verfahrens gekommen und welche Unterstützung hat es hierzu von Seiten der Universität gegeben?

Alles begann mit meiner Diplomarbeit im Frühjahr 2008, damals noch als Idee. Doch schon nach den ersten Versuchen zeichneten sich deutliche Verbesserungen bezüglich der Lebensdauerverlängerung ab und wir wollten es gleich vermarkten. Da die Glasindustrie aber etwas skeptisch war, haben wir dann doch etwas mehr Forschungsarbeit hineingesteckt und liegen jetzt bei 90 Prozent höherer Haltbarkeit der porösen Bauteile. Ohne eine Überbrückungsfinanzierung an der TU Bergakademie Freiberg bis zum Start eines Nachwuchsforschungsprojektes im Herbst 2009 wäre das alles nicht möglich gewesen.

Sie haben Ihr Verfahren patentieren lassen und verschiedene internationale Unternehmen haben bereits an Ihrer Entwicklung Interesse bekundet. Jetzt steht die Ausgründung aus dem Institut für Keramik, Glas- und Baustofftechnik der TU Bergakademie Freiberg an. Wie ist hier der aktuelle Stand? Was werden die weiteren Schritte sein?

Das Patent, das nun auch in immer mehr Ländern erteilt wird, ist enorm wichtig um mit den dortigen Firmen auf Augenhöhe über eine Kooperation verhandeln zu können. Das habe ich besonders bei einer zweiwöchigen Dienstreise in die USA im Oktober 2013 gemerkt. Die Gründung haben wir vor wenigen Tagen vollzogen, die Tinte unter den Verträgen ist also noch frisch. Dies war uns enorm wichtig, da wir vor dem Abschluss von Verträgen mit drei internationalen Feuerfestfirmen stehen und das gleich ein guter Start ist. Zudem haben sich seit Anfang des Jahres neue Anwendungsfelder ergeben, mit denen wir nicht gerechnet haben, aber auf die wir durch eine Anfrage aus der Industrie gestoßen sind. Unser Ziel ist es nicht nur im Bereich Glasherstellung tätig zu sein, sondern für alle Hochtemperaturprozesse individuelle Lösungen anzubieten.

Was wir bei uns in Deutschland definitiv mehr benötigen, ist ein stärkeres Unternehmertum und mehr gesellschaftliche Anerkennung für das Risiko einer Gründung.

Ein wichtiger Punkt für die Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit eines Standortes ist unter anderem die Überführung von Erkenntnissen aus Wissenschaft und Forschung in die Praxis. Sie sind mit Ihrem Projekt und der Ausgründung ein gutes Beispiel. Wie schätzen Sie den Know-how-Transfer zwischen Universitäten und Unternehmen im Freistaat allgemein ein?

Es freut mich natürlich sehr, wenn wir als gutes Beispiel gesehen werden. Wir stehen aber erst am Anfang und müssen uns beweisen, von daher liegt noch viel und teilweise Unerwartetes vor uns. Den angesprochenen Know-how-Transfer kann ich natürlich nur für die TU Bergakademie Freiberg bewerten, da mir die Erfahrungen zu den übrigen sächsischen Hochschulen fehlen. Wenn ich unseren Werdegang betrachte, dann kann ich dies als positiv beurteilen, aber das hängt auch sehr stark von den Personen ab, mit denen man als Gründerteam zu tun hat. Unser Mentor Professor Hessenkemper hat uns stetig ermutigt den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen und uns mit wichtigen Firmen in Kontakt gebracht. Die TU Bergakademie Freiberg geht, vor allem auch durch das Gründernetzwerk SAXEED, den richtigen Weg und hat für Gründer immer ein offenes Ohr und gibt wichtige Unterstützung. Die Unternehmen in Sachsen, die für uns in Frage kommen, sind zwar im Vergleich zu anderen Branchen überschaubar, aber nicht zu unterschätzen. Vor allem bei mittelständischen Unternehmen konnten wir mit unserem Verfahren bezüglich Ressourcen- und Energieschonung schnell einen Test im Werk vereinbaren. Diese Firmen sind innovativen Ideen noch aufgeschlossen, weil sie sich selbst immer wieder bewähren müssen. Auch haben sie uns die Chance eines zweiten oder sogar dritten Industrietests ermöglicht, da wir unser Verfahren noch auf den Industriemaßstab anpassen mussten.

Sie waren im Rahmen Ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit u. a. in Frankreich und Schweden. Wie läuft in diesen Ländern der Know-how-Transfer bzw. der Austausch zwischen den Wissenschaftlern, Forschern und Unternehmen? Haben Sie Anregungen, die in Sachsen für einen noch besseren Transfer sorgen können?

Da muss ich mich jetzt kurzfassen. Wie Sie bereits angesprochen haben, war ich im Studium für die Bearbeitung zweier Studienarbeiten im Ausland. Auch hatte ich die Möglichkeit, im Rahmen des vorangegangen Nachwuchsforscherprojektes an internationalen Tagungen auf allen Kontinenten, außer Afrika, teilzunehmen und Vorträge zu halten. Somit hatte ich die Gelegenheit, mit Wissenschaftlern und Personen bunt verstreut auf unserem Globus in Kontakt zu kommen. Von dem einen oder anderen kann man sich dabei etwas abschauen bezüglich wissenschaftlicher Herangehensweise bzw. komme ich dabei immer wieder auf neue Ideen, weil man neue Problemfelder und Lösungsansätze kennenlernt. Auch ist es interessant andere Kulturen und deren Tagesablauf kennenzulernen. Ich denke gerade wegen unserer deutschen Tugenden wie Fleiß, Disziplin, Pünktlichkeit etc. sind wir im internationalen Vergleich so weit vorn, auch wenn es manchmal etwas weniger stressig sein könnte, aber daran gewöhnt man sich. Ich erinnere mich dabei an einen Satz meines Betreuers in Frankreich, als ich ihn um den Schlüssel für das Labor bat, um morgens eher zu beginnen bzw. abends noch die eine oder andere Messung fertig zu machen. Er meinte, dass sie auch meine Unterkunft kündigen könnten, damit ich im Labor schlafen kann. Dies war natürlich humoristisch gemeint, aber man fällt hier und da etwas auf mit der deutschen Arbeitsmoral. Was wir bei uns in Deutschland definitiv mehr benötigen, ist ein stärkeres Unternehmertum und mehr gesellschaftliche Anerkennung für das Risiko einer Gründung. Im Ausland wird dies höher anerkannt als bei uns in Deutschland. Auch ist eine stärkere Zusammenarbeit von kleinen und mittelständischen Unternehmen und deren Vernetzung notwendig, um deren innovative Kräfte zu bündeln. Wir sagen dazu auch "im Rudel jagen", weil man gemeinsam mehr erreichen kann als alleine. Das futureSAX-Alumninetzwerk ist meines Erachtens ein vernünftiger Beitrag dazu.

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