futureSAX: Herr Richter, das Fraunhofer IWU widmet sich seit über einem Jahrzehnt dem Leitthema „Ressourceneffiziente Produktion“. Die langjährige Erfahrung wird in der IWU E³-Forschungsfabrik demonstriert und vertieft. Welche Kompetenzen und Dienstleistungen für den Mittelstand bietet der Standort Chemnitz in diesem Rahmen an?
Tatsächlich sind wir bereits seit mehr als zehn Jahren in der Energie- und Ressourceneffizienz-Forschung für die industrielle Produktion aktiv. Im Mittelpunkt stand und steht dabei die Entwicklung und Optimierung material- und energieeffizienter Technologien und Produkte sowie produktionstechnischer Prozessketten unter dem Gesichtspunkt der Energie- und Ressourceneffizienz. In unserer »E³-Forschungsfabrik Ressourceneffiziente Produktion« forschen wir in den drei Kompetenzbereichen »Antriebsstrang«, »Karosseriebau« sowie »Daten- und Energiemanagement 2.0«. Bei Letzterem geht es um die Entwicklung und Erprobung eines ganzheitlichen Energie- und Ressourcenmanagementsystems für die ganze Fabrik. In unserer »E³‑Forschungsfabrik« in Chemnitz können wir am realen Objekt forschen, wie Energieeffizienz und mittlerweile auch Energieflexibilität praktisch umsetzbar sind. Dabei haben wir hier außergewöhnliche Möglichkeiten: Neben den Ansätzen zu Produktionstechnologien können wir ebenso Lösungen für die Fabrikplanung, die Produktionsplanung sowie die Steuerung der Produktions- und Gebäudeinfrastruktur praktisch untersuchen und weiterentwickeln. Dieses einzigartige Umfeld zu nutzen, um mit uns gemeinsam Lösungen für deren Zukunft zu entwickeln – dazu laden wir interessierte Unternehmen, insbesondere KMU, herzlich ein.
futureSAX: Das Fraunhofer IWU ist Projektpartner im Kopernikus-Projekt SynErgie und beschäftigt sich mit der Ausrichtung von Industrieprozessen auf fluktuierende Energieerzeugung. Herr Richter, welche Ansätze gibt es in diesem Bereich für den Mittelstand und welche Beteiligungsmöglichkeiten bestehen für KMU im Rahmen des Projekts?
„Welche Technologien sind notwendig, um Industrieprozesse an eine neue Energieversorgung anzupassen?“ Dieser Frage gehen wir für den Bereich der Fertigungsindustrie im Kopernikus-Projekt „SynErgie“ nach. Es geht darum, Potenziale zur Verbesserung des Zusammenspiels mit der schwankenden Stromerzeugung aufzuzeigen und Lösungen zu ihrer Nutzung zu entwickeln. Das bisherige Ergebnis sind neue Produktionskonzepte zur energieeffizienten Fertigung mit zeitlich optimierter Energieabnahme über die gesamte Wertschöpfungskette. »SynErgie« startet Ende 2019 in die zweite von drei Phasen, in der die vorliegenden Konzepte in Prototypen transferiert und erste praktische Erfahrungen gesammelt werden sollen. Im Anschluss daran werden die neuen Lösungen in serienreife Produkte überführt und in die Industrie ausgerollt. Dazu streben wir eine sächsische Plattform mit lokalen Akteuren (Technologielieferanten, Anwenderunternehmen, F&E) an, mit der wir in Sachsen und auch darüber hinaus sichtbar werden.
„Für alle Akteure hier ist sicherlich die Beibehaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit im globalen Maßstab die zentrale Herausforderung der kommenden Jahre.“
futureSAX: In Sachsen und insbesondere im Raum Chemnitz existiert eine einmalige Unternehmensstruktur rund um den Maschinen- und Anlagenbau. Worin sehen Sie die zentralen Chancen und Herausforderungen für diese Branche?
Mit der hohen Dichte an Forschungseinrichtungen, der Vielzahl vorwiegend mittelständisch geprägter Betriebe sowie der gezielten Technologieförderung des Freistaates ist Sachsen und vor allem die Region um Chemnitz ein gutes Beispiel für die positive Entwicklung hin zu einer der führenden innovativen Regionen in Europa. Die meisten der hier ansässigen Unternehmen sind in den aktuell vom Freistaat Sachsen definierten fünf Hochtechnologiefeldern Maschinen- und Anlagenbau, Automobilindustrie, Mikroelektronik, Umwelt- und Energietechnik sowie Life Sciences aktiv und erwirtschaften vor allem in den Branchen Maschinenbau, Elektrotechnik/ Elektronik und Fahrzeugbau über drei Viertel des industriellen Gesamtumsatzes in Sachsen. Durch eine kluge Vernetzung von exzellentem Wissen, durch ausgeprägte technische Kompetenzen sowie durch das gemeinsame Engagement vieler Partner konnten in den letzten Jahren neue und deutschlandweit beachtete Großprojekte auf dem Gebiet der intelligenten Produktionstechnik in Verbindung mit dem Einsatz neuartiger Materialien und Fertigungsmethoden auf den Weg gebracht werden.
Für alle Akteure hier ist sicherlich die Beibehaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit im globalen Maßstab die zentrale Herausforderung der kommenden Jahre. Dazu ist es notwendig, das erreichte hohe technologische Niveau durch permanente Innovationen zu halten sowie die Region durch intensive Vernetzung und Kooperation sowie durch Ausbildung und Qualifizierung des wissenschaftlich-technischen Nachwuchses weiter zu stärken.
„Kommunikation ist alles“.
futureSAX: Herr Richter, welche Bedeutung hat der Wissens- und Technologietransfer für Ihre Einrichtung und darüber hinaus, um die Anschlussfähigkeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in beide Richtungen zu gewährleisten?
Transfer ist ein enorm umfassendes Thema und in jeder Hinsicht wichtig für beide Seiten, speziell im Hinblick auf die Mittler-Rolle der Fraunhofer-Institute zwischen der grundlagenorientierten Forschung, z. B. an den Universitäten, und den realen Anforderungen spezifischer industrieller Anwendungsfälle.
Der enge Austausch sorgt dafür, dass vorhandenes Know-how und technische Innovationen des Fraunhofer IWU in der Wirtschaft deutlich wahrgenommen werden. Anhand des Marktbedarfs werden gemeinsam Anforderungen formuliert, Technologien adressiert und für konkrete Anwendungen – unterstützt durch Demonstratoren und Prototypen – praxisnah weiterentwickelt.
Erst die kontinuierliche Kommunikation zwischen Anwender- und Entwicklerseite ermöglicht die Schaffung und Umsetzung innovativer Lösungen.
Diesen Austausch realisieren wir am Fraunhofer IWU durch die aktive Mitgliedschaft und Mitgestaltung zahlreicher fachlicher Netzwerke, wie z. B. im Innovationsverbund Maschinenbau Sachsen VEMASinnovativ. Von unserer starken Vernetzung in der Fachcommunity profitieren auch unsere Kunden.
Die ständige, erfolgreiche Etablierung von innovativen Technologien in den Unternehmen erfordert geschultes Personal. Externen Partnern bieten wir dazu Weiterbildungen entsprechend unserer Kernthemen an. Die am Fraunhofer IWU verfügbare umfangreiche Infrastruktur wird dabei sowohl für die Umsetzung konkreter Projekte als auch als aktive Lernumgebung für Weiterbildungsmaßnahmen genutzt.
futureSAX: Herr Richter, was war Ihr Beweggrund, Teil des Sächsischen Transfer-Netzwerkes zu werden, und wie wichtig sind branchenübergreifende Veranstaltungen wie das futureSAX-Innovationsforum und die futureSAX-Innovationsplattform für den Wissens- und Technologietransfer?
„Kommunikation ist alles“. Wenn Sie meine Kolleginnen und Kollegen nach meinem Lieblingssatz fragen, werden Sie diesen zu hören bekommen. Insofern stellt sich mir die Frage nach der Wichtigkeit eines branchenübergreifenden Austausches nicht. Wie schon gesagt, wir sind in verschiedenen Netzwerken aktiv und gestalten im Rahmen unserer Möglichkeiten dabei an vielen Stellen sehr aktiv mit. In Sachsen sind wir, speziell was die grundsätzliche Innovationsfähigkeit angeht, hervorragend aufgestellt. Dennoch glaube ich, dass wir noch mehr voneinander lernen können. Dazu tragen die Veranstaltungen von futureSAX wesentlich bei – genau deshalb nutzen und unterstützen wir Ihre Aktivitäten sehr gern.
Mehr zum Fraunhofer IWU und der E³-Forschungsfabrik finden Sie hier:
https://www.iwu.fraunhofer.de/
https://www.e3-fabrik.de/